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Die São Paulo Biennale

16.01.2010 - 11.04.2010

Johannes Bendzulla | Oliver Blumek | Alexander Bornschein | David Czupryn | Günther Förg | Jonas Gerhard | Nancy Glassman | Rodney Graham | Tobias Hantmann | Adam Harrison | Candida Höfer | Tanja Kodlin | Satoshi Kojima | Katja Kottmann | Markus Lüpertz | Bettina Marx | Christine Moldrickx | Lukas Müller | Daniela Neuhaus | Dominic Osterried | Michail Pirgelis | Max Schulze | Thomas Schütte | Sutter/Schramm | Ian Wallace

THE CHAIN setzt sich 2011 mit der Darstellung verschiedenen Formen künst­lerischer Zusammenarbeiten, in der Künstler den intensiven Diskurs mit Kol­legen in den Vordergrund stellen, fort. Den Anfang macht ein von PHILLIP RÜHR und HENNING FEHR erarbeitetes Projekt unter dem Titel DIE SAO PAULO BIENNALE.

Das Gelände auf der Bachstraße wird von den Künstlern und Projektautoren in Beziehung gesetzt zu den Pavillonarchitekturen der zeitgenössischen Aus­stellungsgroßformate und ihrer repräsentativen Funktion. Die Biennaleresorts liegen oft gleich exterritorialen Gärten im städtischen Umfeld als künstlich- verkapselte Enklaven der Kultur. In der Miniatur kommentiert das Projekt mo­dellhaft die Aufwertung der Städte im künstlerischen Wertekreislauf genauso wie die Überbewertung dieser Ereignisse. Wo Baldessari’s Biennalearbeit, die dem Einladungsposter zugrunde liegt, gerade die touristische Verwertung von Kunst im Städtewettbewerb subtil kommentierte, setzen die jungen Künstler an. Das Plateau an der Bachstraße wird analog als Insel im städtischen Um­feld konnotiert, als exklusive Lage kultureller Selbstbespiegelung.

Im Titel wird gleichzeitig ein weiterer Aspekt der Konzeption evident: Das In­szenieren von Vorstellungen entlang legendärer Begriffe und Namen spielt in der Arbeit der Künstler eine weitreichende Rolle. Die hier zitierte Biennale von Sao Paulo bildet einen mythologisierenden Hintergrund in Form des Ver­weises auf ein Ereignis, das medial genauso präsent wie real für die meis­ten virtuell ist. Aus den Gazetten der Szene allseits bekannt hat sie kaum ei­ner gesehen.

Die zunehmende Virtualität künstlerischer Präsentationen und die nahezu komplette Wahrnehmung von Kunst jenseits des Originals in medialer Form machen sich die Projektautoren nicht nur zunutze, um modellhaft den my­thenbildenden Wert dieses unmerklich etablierten Paradigmenwechsels in der Kunst des 21. Jahrhunderts zu kommentieren. Er führt sie zu einer weiterfüh­renden Beschäftigung mit der Auflösung historischer Kontinuitäten zuguns­ten eines diskontinuierlichen Zeitenbegriffs, der in der hiesigen „Biennale“ (als einer gleich einer Bestandsaufnahme zweijährig durchgeführten Anamnese* der Kunst- und Kulturszene) hier modellhaft die Reaktivierung und Aktualisie­rung des Archivs im aktuellen Kunstkontext betreibt. So erscheinen Arbeiten aller Generationen nichtlinear und unhierarchisch aufgeführt nebeneinander, um im Sinne einer foucault’schen Nachbarschaftspolitik den Kommentar, der zwischen den Arbeiten und der Biennale als strukturellem Feld entsteht, in den Vordergrund zu stellen. Sie zeigen, wie die poststrukturalistische, luxu­riös- multiplizierenden Strategie des Kommentars in die junge künstlerische Praxis diffundieren konnte, um die dialektisch operierenden, reduzierenden Strategien (von These/Antithese/Synthese) der Moderne abzulösen.

So finden sich in der Ausstellung komplexe Bezugsnetzwerke, denen der Flaneur auf dem Hochplateau des Einkaufscenters in einer ambivalent viel­schichtigen Biennale nachgehen kann. Daß in Größe, Präsenz und Form changierende Arbeiten von gleichsam bedeutenden Künstlern, namhaften Kunstmarktsgrößen, intellektuell subtilen Positionen, jungen Perspektiven und genialisch wuchtigen Streitbarkeiten in einem konsequenten Nebenein­ander hier vielleicht erstmals zusammenfinden, macht die unhierarchisch- flä­chige Sprachbreite der Projektautoren aus.

Dass sich in vordergründig als Bilderschau vorgetragener Weise entlang einer profunden Untersuchung das virtuelle wie real vorhandene Archiv der Kunst modellhaft im Jetzt aktualisiert, verdankt sich neuen künstlerischen Strate­gien, die hier wiederum generationenüberlappend ineinander greifen. Die in Diskurs gebrachten Kontexte und Perspektiven künstlerischer Arbeit artiku­lieren sich hier in berufsgruppenspezifisch selbstverantworteter Projektarbeit der Autoren, die auch jenseits der „Biennale“ künstlergenerierte Projekte und Projekträume betreiben. Insofern stellt die Einladung der beiden Projektauto­ren Philipp Rühr und Henning Fehr durch MAP die Bedeutung dieser künst­lerischen Arbeitsformen heraus und betont die Reflexion dieser in der jüngs­ten Künstlergeneration.

*im Sinne der Wiedererinnerung